Wir alle haben uns immerzu Fragen gestellt wie „Wo kann ich etwas zu mir nehmen?“, „Wo kann ich mich mit meinen Freunden treffen?“, „Wohin kann ich eine Frau einladen?“. Und wenn die Fantasie nicht im Übermaß vorhanden ist, wählen wir immer Cafes, Bars, Kneipen, Restaurants und Imbissstuben. Für uns war es interessant, welche Besonderheiten solche Lokalitäten in Halle haben. Und um das zu erkunden, beschlossen wir, einen kleinen Streifzug zu machen.

«Alte Szene»

Cafe Nöö

Unser Weg beginnt mit einer sehr netten Lokalität, dem „Nöö“. Es gehört zur so genannten „alten Szene“, d.h. zu den Kneipen, die schon lange existieren, einige schon seit DDR-Zeiten. So befanden sich zu den Wendezeiten in dem Gebäude, wo sich die Kneipe „Nöö“ niedergelassen hat, Oppositionsparteien und -organisationen. Ihre Mitglieder waren Stammgäste vom „Nöö“. Dieser Name bedeutet Protest. Jahre sind vergangen und heute ist diese Kneipe eine der beliebtesten Plätze der Hallenser.

In den Kneipen der „alten Szene“ ist unbedingt der Geist dieser Zeit vorhanden. Das besagt natürlich nicht, dass der Fußboden in diesen Kneipen abgenutzt, die Tische zerkratzt und die Tapeten 10 Jahre lang nicht gewechselt wurden. Die „alte Szene“ hat sich einen guten Ruf erworben. Niedrige Preise gemütliche Atmosphäre. Keine Schwülstigkeit und keine Bestrebungen, mit der Zeit Schritt zu halten. Und dazu noch: Wem würde es nicht gefallen in einer Kneipe zu sitzen, mit der zum Teil auch sein Schicksal verbunden ist.

Auf der „Kneipenmeile“

«The Connoisseur»

Wir bewegen uns ins Zentrum und finden uns auf der Kleinen Ulrichstraße wieder. Man kann sie auch „Kneipenmeile“ nennen – wegen der großen Anzahl von Kneipen, Bars und Restaurants. Die sind alle relativ neu. Und wie es sich gehört, sind die Preise hier höher als in den Kneipen der „alten Szene“. Davon abgesehen ziehen sie ziemlich viele Jugendliche an.

Besonders haben mich durchdachte Konzepte angezogen mit entsprechenden Namen und Innenausstattungen. Die Kneipe «The Connoisseur» ist schottisch eingerichtet: lederne Sofas, über die Tische runterhängende Lampenschirme, alte Porträts, Regale mit Flaschen für teuere Weinsorten und Kellner in Röcken.

«Potemkin»

Auf der Kleinen Ulrichstraße haben wir auch unsere sozusagen russische Kneipe angetroffen, «Potemkin». Ich weiß nicht, ob dieser Namen den Hallensern etwas sagt, aber das Lokal scheint eines der beliebtesten zu sein. In der Innenausstattung sind sowjetische Attribute zu finden: auffällige Tapeten wie aus den alten Zeiten, ein Zigarettenstand, zusammengeheftete alte Zeitungen, allerdings in deutscher Sprache.

Typisch deutsch

Von den oben genannten Kneipenarten unterscheiden die Hallenser typisch deutsche Kneipen. Sie kann man in zwei Gruppen unterteilen: proletarische und bürgerliche. In den ersten versammeln sich in der Regel Arbeiter mit dem Ziel sich zu erholen, Bier zu trinken und dabei mit Freunden zu sprechen, und wenn man Glück hat, sich Lieder von Gitarre begleitet anzuhören. Bürgerliche Cafes sind, finde ich, einen Rang höher. Ihre Stammkunden sind typische Deutsche mit ihren Angewohnheiten und mit ihrer Unlust, auf ihre manchmal konservativen Ansichten zu verzichten.

Um diese Liste weiter zu ergänzen, kann man auch noch Kneipen-Clubs nennen, wo man sich Life-Musik anhören und tanzen kann, Kinoclubs und andere einschlägige Bars.

Nicht so wie bei uns

Wenn wir mit russischen Bars Vergleiche machen, möchte ich auf folgende Sachen hinweisen: Hier ist es fast überall erlaubt zu rauchen, was nicht immer für Nichtraucher angenehm ist, und um so mehr für mich, da ich aus dem Land komme, wo intensiv gegen das Rauchen gekämpft wird.

Die zweite Sache, finde ich, wäre für Stammgäste der russischen Kneipen interessant. Die Bars haben hier bis zum letzten Kunden offen, und werden nicht um festgelegte 23 Uhr geschlossen. Selbstverständlich heißt es nicht, dass man hier bis früh am Morgen sitzen kann. Ein Stunde vor dem Schluss werden keine Getränke mehr verkauft. Und da man ohne Getränke in einer Bar nichts zu tun hat, bleibt einem nervigen Kunden nichts anderes übrig als zu gehen.

Wenn ihr euch das Ziel setzt nur zu essen, braucht ihr euch den Kopf nicht zu zerbrechen. In jeder Bar, Kneipe und Cafe könnt ihr ein ordentliches Essen für relativ niedrigen Preis erhalten. Und ihr müsst euch nicht mit Piroggen, einer kleinen Portion Salat und Pelmeni, die ihr schon fast satt habt, zufrieden zu geben, wie es in russischen Bars üblich ist, die nur Alkoholgetränke verkaufen.

In Russland ist es angebracht, Bars nach dem Alters- und Portemonnaie-Prinzip einzuteilen. Wohin man einlädt, verrät ganz leicht die soziale und finanzielle Stellung eines Menschen. In Deutschland ist dies auch vorhanden, ist aber nicht so stark ausgeprägt. Zum Bespiel kann man in einem jugendlichen Cafe auf eine nette 70 Jahre alte Frau mit einer Zigarette in der Hand stoßen.

Asiatische Spezialitäten

Morgenland ist eine feine Sache!

Türkische Spezialitäten

Deutschland ist dem Einfluss von Osten nicht entgangen, deswegen kann man an jeder Ecke an eine türkische oder chinesische Imbissstube stoßen. Ich habe sie nicht umsonst so genannt. Denn sie befinden sich alle meistens in kleinen Räumlichkeiten, in deiner Anwesenheit wird alles zubereitet, und für die Vereinfachung der Kommunikation mit einem Kunden wird auf der Wand die Speisekarte ausgehängt. So muss man nur auf Deutsch lesen können. In Russland, unter anderem in Ufa, kann man türkische Bistros kaum Imbissstuben nennen. Die alle sehen eher wie Restaurants aus. Die Preise sind bei weitem nicht billig. Dafür bereitet ein Besuch dahin viel mehr Vergnügen als hier.

Über das gesunde Essen

Was den amerikanischen Einfluss betrifft, ist es im Prinzip hier nicht so offensichtlich. Auf unserem Weg trafen wir nur einen McDonald’s. Und nach der Äußerung einiger Vertreter der deutschen Jugendlichen ist es nicht besonders beliebt. Das Essen sei ungesund. Da liegt aber eine Frage nahe: «Was gilt denn in Deutschland als gesundes Essen, wenn es für seine belegte Brötchen bekannt ist?»

Im Ganzen kann man sagen, dass Kneipenkultur in Deutschland viel mehr entwickelt ist. Da haben wir noch was nachzuholen. Und in erster Linie müssten wir die Kunststoff-Innenausstattung loswerden, was bei uns vorläufig so beliebt ist.

Dilara Dilmukhametova, 04.02.2005