For well you know that it’s a fool,
who plays it cool,
by making his world a little colder.
«Hey Jude» by John Lennon & Paul McCartney
Neulich habe ich es endlich geschafft ins Beatlesmuseum in Halle zu gehen. Ein großes Problem der Bewohner dieser Stadt ist, dass sie, auch nach vielen Jahren in Halle, es immer noch nicht geschafft haben dieses Museum zu besuchen. Die Philosophie ist klar: das Museum bleibt, wo es ist – es bleibt nicht mal genug Zeit, um gemütlich mit Freunden im Cafe zu sitzen, geschweige denn Museen zu besuchen. Obwohl ich vom Museum am dritten Tag in Halle erfahren habe, habe ich erst nach vier Monaten geschafft es zu besuchen. Aufgrund dessen ist es ein bisschen peinlich, sich als „Beatlesfan“ zu bezeichnen.
«Love Me Do»
Das Museum befindet sich in der Nähe des Marktplatzes von Halle. Das Seltsame ist – von der Existenz des Museums weiß die ganze Stadt, wo es aber genau ist, nur wenige und dann auch noch sehr ungenau.
Die Exponate sind über vier Etagen eines großen Hauses verteilt. Hier findet man auch das Cafe „Beatles“ und den Fanartikelladen, wo auch der abgebrühteste Fan noch etwas Neues entdecken kann – das Sortiment wird ständig aufgefrischt und ist schier unendlich. Hier gibt es alles: eine vollständige Discographie der Gruppe in der Zeit ihrer Existenz, aber auch die Werke der Mitglieder der Beatles, die nach dem Zerfall der Band herausgebracht wurden; alte Schallplatten, die teilweise preiswerter verkauft werden als die CDs (allgemein ist bekannt, dass in Europa und Amerika CDs lizensiert und ergo teuer sind, ebenfalls die Machenschaften der Medienpiraterie in Russland); T-Shirts, Hemden, Socken, Krawatten mit Logos der Gruppe; Poster und Postkarten in allen Größen und Formen; Tassen, Teller und Gläser mit den Porträten der Beatles; Bücher Notenblätter und Archive von Yoko Ono sowie vieles mehr – alles kann man nicht aufzählen.
Ich fühlte mich völlig desorientiert angesichts der schieren Übermasse an Kultobjekten. Einerseits hatte ich das Bedürfnis den Laden leer zu kaufen, andererseits aber fühlte ich mich etwas unwohl bei dem Gedanken, dass große Bereiche der modernen Wirtschaft an meiner Lieblingsgruppe prächtig verdienen. Ich bezweifle, dass auch nur ein kleiner Teil des Gewinns an McCartney, Starr oder an die bereits verstorbenen Lennon und Harrison geht. Auf jeden Fall erlaubte mir mein Geldbeutel nicht, die Industrie im großen Maße zu bereichern, deswegen beschränkte ich mich auf ein großes Poster und ein altes Büchlein aus der frühen postsowjetischen Periode, das auf unbekanntem Wege hierher gefunden hatte und Texte aller Lieder der Beatles enthielt, sowie eine kurze Biographie.
«HeyJude»
Im Prinzip ist meine Abneigung gegen die Produzenten von Kultobjekten unbegründet. Durch den Laden schlendernd begriff ich, dass die Gruppe selbst der Kommerzialisierung ihres Namens nicht ganz abgeneigt war. Die Existenz des Fanartikel-Ladens und das Tonaufnahmegerät „Apple“ beiseite genommen, wurden zu Zeiten der Beatles sogar Strumpfhosen und Höschen bestickt mit den Gesichtern der Bandmitglieder verkauft. Aber ich verstehe das Bedürfnis sich jenseits der Musik zu engagieren: es sei daran erinnert, dass die Beatles nicht nur mit der Produktion ihrer eigenen Musik beschäftigt waren – es gab zahlreiche andere Projekte. McCartney produzierte junge Nachwuchsbands, Lennon war von der künstlerischen Zusammenarbeit mit Ono besessen und malte erotische Grafiken. Auf die Beatles triff die Redensart völlig zu: ein talentierter Mensch ist es in allem, was er tut.
«I Want to Hold Your Hand»
Genau dieses Lied hörte ich als ich das Museum betrat. In einer Konstruktion, die in den sechziger Jahren Fernseher genannt wurde – ziemlich hoch mit einem kleinen Bildschirm – standen vier Prachtkerle in Anzügen, die lediglich von drei Knöpfen zusammengehalten wurden. Hier befanden sich ein paar Sofas, Fotos und Zeitungsausschnitte… Das Konzept des Museums eröffnet sich einem sofort, gleich im Eingang befinden sich zahlreiche Fotos der „Käfer“ und sogar eine Krawatte, die Lennon gehörte und die er während seiner Studienzeit trug. Im ersten Saal, in dem sich das Sofa und der Fernseher befinden, wird die frühe Periode des Lebens und der Schulzeit der Band präsentiert. Zu dieser Zeit waren sie nur regional bekannt und zwar in Liverpool – es erschienen praktisch noch keine Artikel über sie. Das ist auch die Zeit ihres ersten Auftritts in Hamburg. Im letzten Saal ist alles zu finden, was mit den letzten Jahren der Band zusammenhängt.
«Yellow Submarine»
Womöglich ist die Tatsache, dass das erste große Konzert in Deutschland stattfand, auch der Grund dafür, dass sich hier auch das größte Beatles-Museum der Welt befindet. Aber eigentlich befand sich das Museum zunächst irgendwo in Westdeutschland, was verständlich ist.
In der befreundeten DDR sowie in der Sowietunion waren die Beatles nicht offiziell anerkannt. Zunächst wurden sie einfach nicht bemerkt, als jedoch der Bekanntheitsgrad der Band globale Ausmaße anzunehmen begann und man die Band nicht mehr ignorieren konnte, begann die Presse mit kurzen Artikeln über die fünf Jungs aus Liverpool. Diese ersten Artikel konnte man weder wohlwollend noch böse nennen, sie waren lediglich unausweichliche Mahnungen des „bourgeoisen Kapitalismus“. Es gab Gerüchte, dass zu Zeiten Breschnews kein geringerer als Suchow, die graue Eminenz der Politik dieser Epoche, mit den Beatles sympathisierte. Aus diesem Grund wurden Beatles-Fans auch selten aus Universitäten ausgeschlossen und wurden auch anderweitig nur wenig verfolgt.
Unklar ist, warum sich im üppigen Westen kein Gebäude für ein Museum diesen Niveaus gefunden hat: als das Museum neue Räumlichkeiten brauchte, antwortete der Osten, der für die Begeisterung für die „bourgeoise“ Musik mehr litt, als alle verrückten Mädchen Europas und Amerikas auf den Lifekonzerten der „Beatles“.
«The Long and Winding Road»
Am Ende der Führung zeigte man uns einen Film. In einem kalten und dunklen Zimmer schaute ich mit offenem Mund die alten Dokumentaraufnahmen. Konzerte, Dispute im Aufnahmeraum, Hochzeiten, Scheidungen, Streitereien mit amerikanischen Botschaften, eine seltsame Yoko, Lennons Tod. Dann Interviews mit dem bereits verstorbenen Harrison, Ringo Starr und dem immer noch jugendlichen und vor Kraft strotzenden McCartney. Und im Verlauf des Films spukt der durchaus menschliche Gedanke durch den Kopf: Wäre Lennon doch noch am Leben… Und da kommt schon das Lied «Let It Be»…
Erlauben wir der Welt, wie bisher ihren Lauf zu nehmen. So soll es sein.
Elena Shalevich, 18.04.2007