Im Februar nahm ich an einem Seminar in Witzenhausen teil. Das ist ein wunderschönes, kleines, gemütliches Städtchen mit vielen historisch bedeutsamen Plätzen und traditionellen Ziegeldachhäusern. Die Leute dort waren wirklich angenehm, das Programm gut organisiert und die Abende sehr lustig. Aber all das trübte das kalte Wetter, der ständige Wunsch, am besten gleich neben der Heizung, zu schlafen, was ich übrigens auch tat.
An einem Tag fiel sogar Schnee, der die Kälte sehr viel angenehmer machte: wir waren glücklich uns gegenseitig mit Schnee zu bewerfen. Aber auch noch ein anderer Anlass sorgte dafür, das unsere Laune sich verbesserte: eine Reise nach Kassel.
All das ist nicht zu vergleichen mit meiner Fahrt nach Weimar. Vom 4.-10. Juni besuchten wir, eine Gruppe von 20 Leuten, diese wohl schönste Stadt der Welt, kommunizierten miteinander, spielten, machten die Nächte durch, aßen und tranken viel zu viel, lachten und … suchten uns nach Zecken ab:) Denn der nahe gelegene Wald mit der angrenzenden Lichtung, der sich direkt neben unserem Versammlungshaus befand, lockte uns mit seinem Grün und seiner Abkühlung und in dem hielten sich diese heimtückischen kleinen Biester versteckt. Ich glaube, einige von uns hatten mit diesen Insekten wirklich kein Glück und wurden ständig befallen.
Im Prinzip lief auf diesem Seminar in Weimar alles so ab, wie auf jedem solcher Seminare: früh zeitig aufstehen, Frühstück im sehr verschlafenen Zustand, Treffpunkt im Seminarraum punkt um neun. Manche von den aktivsten, energiegeladendsten Teilnehmern schliefen maximal 3-4 Stunden am Tag, so dass die letzten fünf Tage unseres Aufenthaltes nicht mal mehr 5 Leute früh zum Treffpunkt erschienen. Alle Anderen schliefen bis in den Abend hinein. Offensichtlich zeigten die angesammelte Müdigkeit der vergangenen Woche und die Hyperaktivität in den Nachtclubs ihre Wirkung.
Was das Seminarprogramm anging, schien mir dies nicht sehr logisch aufgebaut. Einige geplante Programmpunkte hätte man auf die letzten Tage legen, andere wiederum umgekehrt, an den Anfang stellen können. Des Weiteren verblüfft mich immer wieder die Besonderheit der meisten Europäer, über weniger wichtige Dinge so ausführlich zu berichten, als ob jemandes Schicksal daran hinge. Ich konnte mich ein weiters Mal davon überzeugen, dass viele von uns wichtigen Personen (Journalisten a. d. R.) über uninteressante und langweilige Dinge berichten. Außerdem hatte man zu dieser Jahreszeit eher den Drang, sich draußen zu bewegen und zu spielen.
Meiner Meinung nach sollten sich die Sommerseminare von den Winterseminaren in ihrer Planung unterscheiden: Auf dem ersten Seminar in Witzenhausen, konnten wir uns nur schwer motivieren, hunderttausend Klamotten anzuziehen und an die frische Luft zu gehen, um z.B. an einem Orientierungslauf durch die Stadt teilzunehmen. Viel lieber hatte man den Wunsch, im warmen Zimmer bei einer Tasse Kaffee ausgiebig über die Probleme zwischen Ost und West oder Konfliktbewältigung zu diskutieren. Im Sommer ist es dagegen schon ziemlich schwer mit ruhiger Mine in einem heißen Raum über das zu reden, was einen persönlich bewegt. Mein ganzer Körper verspürte nur den einen Wunsch, auf die Straße zu gehen und ausgiebig einen Spaziergang durch die G8 zu machen.
Aber all die Spiele und Freizeitangebote befanden sich auf Anhöhen. Mir persönlich hat das witzige Spiel mit den Karten sehr gut gefallen. Die Spielregeln zu erklären, würde hier zu weit führen. Im Grunde genommen ist es so, dass man den verschiedenen Mannschaften unterschiedliche Spielregeln gibt, die dann zusammen geführt werden müssen, ohne ein Wort zu sagen. Lachen war aber erlaubt. Davon machten alle fünf Mannschaften sehr ausgiebig Gebrauch.
Das Spiel mit dem Sumpf und den Krokodilen war sehr bezeichnend. Ich empfand gleich einen gewissen Stolz auf die slawischen Männer, die sehr professionell den Übergang über den Sumpf zu organisieren wussten. Es gab keinen Streit um denjenigen, der die Leitung übernehmen sollte. Die ganze Gruppe nahm sofort das Konzept des Wortführers an, was uns den Sieg brachte, obwohl auch erst nach dem dritten Versuch. Aber das lag an einem Koordinationsproblem.
Weimar. Das ist die zauberhafteste Stadt von allen, die ich je gesehen habe. Schönere, gemütlichere Orte gibt es wohl kaum auf dieser Welt. Stellt euch vor, auf jedem Fleckchen Erde gibt es Architekturdenkmäler, wunderschöne Häuser, im Stil…, einem sehr alten Stil mit Säulen und Brunnen, breite Alleen, Jasminsträucher, Eichen, Linden, Rosen, Hagebutten – und all das blüht dort und verführt einen. Kaltes, grünes Gras, ein Fluss durch die Stadt und eine bezaubernde Beleuchtung des Nachts und am frühen Morgen.. Als ob man sich nicht auf dieser Welt befindet sondern im Paradies. Ich ging an Rosensträuchern vorbei, pflückte eine ganze Hand voll Rosen und tauchte meine Nase tief hinein, um ihren Duft aufzunehmen. Einige fielen ab, und als ich merkte, dass einige schon verblüht waren, riss ich deren Blütenblätter ab und warf sie über meinen Kopf. Das war wirklich wahrhaftiges Glück.
Eigentlich bin ich außer Stande, diese Erinnerung auf Papier zu bringen, so sehr hat dieses Erlebnis mein Herz berührt und so sehr verkörpert es das ganze Gegenteil meiner jetzigen Gegenwart. Es war paradiesisch schön, lustig und angenehm dort zu sein. Und umso schwerer, abzureisen.
Das Paradies existiert. In Weimar.
Elena Shalevich, 17. Juni 2007