40 Tage Fasten, Holz-Eier bemalen, hart gekochte Eier zum Verschenken färben, Osterkuchen backen – so sollte eigentlich ein traditionelles orthodoxes Osterfest gefeiert werden. Dass sich heute nur noch wenige, streng orthodoxe Gläubige an diese Riten halten, zeigt das Osterfest, das ich zusammen mit Teresa und ihrer Gastfamilie feiern durfte.
Unser Ostern begann bereits am Abend zuvor. Wir färbten zusammen mit Teresas Familie Eier. Hier in Russland ist es Tradition, die gefärbten Eier an Verwandte und Bekannte zu verschenken. Da uns dies aber nicht genügte, führten wir das traditionelle Eierbemalen aus Deutschland ein. Leider mussten wir feststellen, dass hier so etwas wie Osterdekorationen nicht bekannt ist. Um aber etwas Osterstimmung aufkommen zu lassen, entschieden wir uns, einen Osterstrauch anzufertigen. Da wir natürlich Zweige für dieses Vorhaben brauchten, uns aber Probleme und Diskussionen mit den Anwohnern ersparen wollten, schlichen wir uns des Nachts auf die Straße, um ein paar Zweige zu stibitzen. Eine weitere deutsche Tradition, die wir hier praktizierten, war das Zusammenstellen von Osterkörbchen, was wir dann auch am Abend taten.
Am nächsten Morgen mussten wir schon früh aufstehen, um uns für die Kirche zurechtzumachen. Wir nutzten diese Möglichkeit, um die Osterkörbchen zu verstecken. Es genügte eine kurze Erklärung dieser Tradition – und schon konnte die Suche nach den Körbchen beginnen. Wir werden wohl nie vergessen, wie alle über den Boden krochen, um Andrejs Körbchen zu finden. Es war für Teresas Gastfamilie ein erstmaliges und überraschendes Erlebnis und wir beide hoffen sehr, dass es in den nächsten Jahren als Tradition weiter geführt wird.
Nach einem für russische Verhältnisse typischen Frühstück fuhren wir 40 min stehend mit dem wohl ältesten Bus Ufas zum Ostergottesdienst. Entgegen unserer Erwartungen war es keine traditionelle russische Kirche. Das Gebäude, in dem der Gottesdienst stattfand, ähnelte eher einer Lagerhalle, als einem Ort des Glaubens. Der Grund lag darin, dass wir an keinem üblichen orthodoxen Gottesdienst teilnahmen, sondern bei einer der vielen Splittergruppen, die der orthodoxe Glauben zu bieten hat, zu Gast sein durften.
Die Kirche war sehr modern eingerichtet, was nicht nur auf das Äußerliche zutraf. Auch die Art des Gottesdienstes und die Predigt entsprachen nicht unseren Klischees. Man konnte einfach mal eine „Pause“ einlegen, ohne das sich jemand daran gestört hätte. Zwei Dinge brachten uns doch zum Schmunzeln: Zum einen wird das bei uns übliche „Amen“ hier als „Amin“ gesprochen und zum anderen wird heißt „Jesus“ hier „Isus“. Wir entdeckten auch Ähnlichkeiten zum gewohnten deutschen Gottesdienst. So läuft zum Beispiel die Gabenbereitung in der gleichen Form ab wie in Deutschland.
Da ein üblicher Ostergottesdienst hier 3 Stunden dauert und wir vieles sowohl akustisch als auch sprachlich nicht verstehen konnten, traten wir schon nach anderthalb Stunden den Heimweg an. Auch Teresas Gastfamilie mit ihrer Verwandtschaft traf bald darauf zu Hause ein. Hier ließ sich wieder die russische Spontaneität, die uns so gefällt, erkennen, denn die auf dem Heimweg gekauften Pelmeni dienten als Osteressen. Anschließend gab es noch den üblichen Tee und einen Osterkuchen. Trotz des einfachen Essens war die Atmosphäre österlich-gemütlich gestimmt, wozu auch der Osterstrauch und die Osterkörbchen beitrugen.
Leider war dies auch schon alles, was wir von diesem russischen Ostern mitnehmen konnten. Aber es war ein Erlebnis, das wir nicht missen möchten.
Johanna Schirling, Teresa Beier, 20.05.05