Eine feurige Mischung aus deutschen Chansons und russischen Balalaika-Klängen ertönte am 21. April im Jazzclub von Ufa. Die deutsch- russische Band „Gastarbaiterka“ begeisterte das Publikum beim Gastauftritt als Höhepunkt der Deutschen Woche in Baschkortostan.Helen Walter-Kurkjian, Frontfrau der fünfköpfigen Formation weckte durch ihre offene und begeisternde Art viele Sympathien im Publikum. Als Tochter einer Oberfränkin und eines aus dem Libanon immigrierten Armeniers beendete Helen ihr Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien mit dem Diplom. Es folgten Theater- und Filmproduktionen, bis sich Helen 2006 entschied, nach Moskau auszuwandern und dort einen russischen Musiker zu heiraten.
2006 erhielt sie das erste Mal die Einladung, bei der Deutschen Woche in Ufa (+Salawat, Sterlitamak, Kumertau) als Gastmusikerin aufzutreten. Um ihren Gesang musikalisch zu begleiten, reiste sie mit einem befreundeten Akkordeonisten an und bezauberte erstmals die Zuhörer mit ihren deutschen Chansons.
Ein Jahr später, im April 2007 gründete Helen Walter- Kurkjian die Gruppe „Gastarbaiterka“, bestehend aus Balalaika, Akkordeon, Bass, Schlagzeug und Gesang. Ein deutsch- russisches Repertoire war schnell einstudiert und so folgte ein erstes Konzert in Krasnajarsk. Nach einigen Experimenten und verschiedenen Besetzungen ist das Konzept – buntes Potpourri aus deutsch- russischem Folk- Chanson und Zigeuner Ska jetzt abgerundet.
Der Bandname „Gastarbaiterka“ klingt in vielen russischen Ohren sehr hart und ist eher negativ besetzt. So entschied sich Helen auf Rat ihrer Freunde für einen Untertitel. In Anlehnung an die französische Fernsehsendung „Hélène et les Garçons“ entstand der endgültige Name „GASTARBAiTERKA“ – „Heleno4ka & rebjata“. Dennoch findet sie den ursprünglichen Namen nach wie vor sehr passend. „Schließlich ist mein Vater als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und irgendwie fühle auch ich mich in Russland als Gastarbeiterin, eben Gastarbajterka“ , so Helen Walter-Kurkjian im persönlichen Gespräch.
In diesem Jahr trat die Formation nun schon das dritte Mal bei der Deutschen Woche auf. Nach dem ersten Soloauftritt begleitete 2008 die ganze Band Helens Gesang auf der Bühne der Deutschen Woche. Dieses Mal gaben sie schon zwei Konzerte in Ufa. Nach dem Gastauftritt beim Abschlusskonzert des Liederfestivals am Mittwoch folgte noch das Konzert im Jazzclub. „Jetzt sind wir schon „alte Hasen“, so Helen, „doch man sieht den Fortschritt“. Die größtenteils deutschen Chansons singt sie mittlerweile mit russischen Übersetzungen, damit die Russen bei Konzerten auch verstehen, worum es geht. Somit sieht sie sich als Botschafterin zwischen den Kulturen. Auch wenn ihre Musiker kein Deutsch verstehen, mochten sie von Beginn an die deutschen Lieder. Und auch bei Konzerten zeigt sich der Erfolg des Konzepts.
In Zukunft möchte Helen ihr Repertoire erweitern und am liebsten ein 2.Album aufnehmen. Des öfteren fehlt der „Gastarbeiterin“ jedoch die Zeit zum proben. Denn in den letzten Monaten war Helen mit zwei Theaterprojekten beschäftigt. Im November 2009 hatte sie in der Titelrolle der russischen Erstaufführung „Heute Abend: Lola Blau!“ von Georg Kreisler Premiere im Moskauer Meyerholdzentrum. Mit dem darauffolgenden internationalen Tanztheaterprojekt „Erinnerungsbriefe“ von Oleg Nikolaev war Helen mit Kollegen aus 9 verschiedenen Ländern auf einer Tournee, die Ende April in Moskau startete, durch 10 Städte Russlands reiste und schließlich in St. Petersburg und Kronstadt beendet wurde. Einen großen Wunsch hat Helen: endlich mit der gesamten Formation der „Gastarbaiterka“ nach Deutschland zu kommen und die Bühnen zu stürmen. Bisher scheiterte dies immer am Visumsproblem.
Wer aber die aufgeweckte und starke Sängerin auf der Bühne erlebt hat, der zweifelt nicht an einer großen Zukunft der Band. Virtuose Balalaika- Klänge, Knopfakkordeon und das geflügelte deutsche Wort machen einfach Lust auf den „wilden Osten“ und einen mitunter sehr tanzbaren Konzertabend.
Julia Hoppe, April 2010