Über das Klara-Zetkin-Kinderheim
Der Böllberger Weg im Süden der Stadt Halle wird soziale Meile genannt. Hier liegen in unmittelbarer Nähe nebeneinander zwei Kindergärten, ein Behindertenhaus, ein Altenheim und das Obdachlosenheim. Und hier befindet sich auch das Klara-Zetkin-Kinderheim, worauf ich jetzt zu sprechen komme.
Das Gebäude des Kinderheimes unterscheidet sich kaum von den Nachbarhäusern. Nicht groß, zweistöckig, mit einem Kinderspiel- und einem Sportplatz. Das einzige, was es verrät, sind die Kinder. Hier gibt es viele. Von ganz kleinen, die noch unter Aufsicht der Erzieher spazieren gehen, bis zu den volljährigen. Sie nehmen die Welt ganz anders wahr. Die Welt, in der sie die zwei am nächsten stehenden Menschen benachteiligt haben. Die Welt, in der sie elterliche Fürsorge nicht kennen gelernt haben. Und nur hier können sie sich als Mitglieder einer großen und befreundeten Familie fühlen, die selbstverständlich ihre eigene Familie nicht ersetzen kann, aber viel mehr für die Kinder tut.
Das Klara-Zetkin-Kinderheim wurde in der 70er Jahren gegründet. Zu den Zeiten der DDR ähnelte es sehr den Kinderheimen in der UdSSR. Ich meine jetzt nicht die materielle Seite, die vielleicht besser war, sondern die Erziehungsmethoden. Dieselben Ideen, dieselben Ansichten. Von der Krise, die sich in Ostdeutschland ausbreitete, war das Kinderheim auch betroffen. Damals haben Leute aus Dänemark sehr geholfen. Laut dem Vorsitzenden des Trägervereins, Reisner Rast, ist das Land ihr großer Freund. Die Kinder wurden sogar zu Besuch nach Dänemark eingeladen.
Heutzutage, da schon viele damalige Probleme gelöst sind, wie zum Beispiel die Renovierung des brandgeschädigten Gebäudes, steht das Kinderheim fest auf eigenen Füßen, hängt von niemandem ab und unterhält sich selbst. Es werden einige Projekte für Kinder in die Tat umgesetzt.
Im Kinderheim selbst wohnen 32 Personen. Die Tagesgruppe besuchen noch 8. Sie bleiben hier tagsüber. 10 Personen nehmen an einem Schulprojekt teil. Das ist für diejenigen bestimmt, die aus ganz verschiedenen Gründen die reguläre Schule nicht besuchen können.
Was mich besonders gewundert hat, ist, dass 80% der Kinder ihre Eltern noch haben. Die meisten sind einfach nicht im Stande, ihre Kinder groß zu ziehen. Und lösen ihr Problem einfach dadurch, dass sie das Kind in das Kinderheim bringen. Es passiert auch, dass das Kinderheim von den Nachbarn oder den Bekannten sozial schwacher Familien angesprochen wird. Sie informieren, dass es in einer oder anderen Familie offensichtlich Probleme gibt, und bringen manchmal die Kinder hierher. In dem Fall, dass die Eltern ihre Kinder nicht hergeben wollen, ist man gezwungen zu den äußersten Mitteln zu greifen – und vor Gericht zu ziehen.
Eine der hiesigen Gruppen, kennen lernen konnte, heißt „Sommerland“. Dazu gehören Kinder im Alter von 9 bis 16 Jahre. Die Gruppe hat drei Erzieher und noch einen Leiter. Die Gruppe rechnet selbständig ihr Budget aus. Täglich gibt es 4 Euro fürs Essen, monatlich 30 Euro Taschengeld und jährlich 400 Euro für Kleidung. Die Schulmaterialien werden extra bezahlt. Die Kinder besuchen die Schulen der Stadt. Nach der Schule haben sie ihre Freizeit, die sie nach ihren Wünschen nutzen, aber um 22.00 sollen sie alle ins Kinderheim zurückkehren.
Ich hatte die Möglichkeit, mir die Wohnverhältnisse der Kinder anzusehen. Ein geräumiges Zwei-Bett-Zimmer. Zwei Betten, zwei Tische, ein Fernseher, ein Kassettenrecorder und ein Haufen Spielzeug und Bücher. Unwillkürlich erinnert man sich an die russischen Kinderheime, wo die Wohnverhältnisse viel zu wünschen übrig lassen. Ich will keine Kommentare in diesem Zusammenhang machen. Der Unterschied ist offensichtlich und verständlich für alle. Ich möchte einfach an der Stelle meinen Dank aussprechen an alle, die diese wunderbare Kinderwelt erschaffen. Die auch nicht nur materiell helfen, sondern auch den Kindern ihre Liebe schenkt, die sie wirklich brauchen.
Dilara Dilmukhametova, 20.07.05