Nun haben wir den Mai hinter uns, in Halle haben wir seit zwei Wochen Badesaison in den Freibädern. Allerdings hatten wir bisher nur Regen und Herbstwetter. Es soll der kälteste und feuchteste Mai seit vierzig Jahren und nebenbei ist es auch meines ganzen Lebens sein. Und ich möchte ganz am Rande darauf hinweisen, dass ich fast in Sibirien aufgewachsen bin.
Mir scheint es so, als würde es seit sechs Wochen unentwegt regnen. Aber es scheint wohl nicht nur mir so, sondern dies bestätigt auch ein Blick auf die heimische Saale. Die Saale ist über ihre Ufer getreten und hat die von mir geliebte Peißnitz überflutet. Aber was ich nicht erwartet habe: ein deutsches Hochwasser unterscheidet sich von einem russischen Hochwasser.
Beide Male handelt es sich um Wasser, um viel zu viel Wasser. Beide Male tritt es über die Ufer der Flüsse und gefährdet Dörfer und Felder. Aber das russische Hochwasser kommt, überflutet, was es überfluten möchte und verschwindet wieder. Dies ärgert einzelne Bauern, vor allem aber die Angler. Wäre mein Vater kein Angler gewesen, hatte ich von vielen Hochwassern wohl nie etwas mitbekommen.
Aber hier in Deutschland ist das Hochwasser ein Medienereignis, ein präzise geplantes. Über das Hochwasser wird in der letzte Zeit häufiger berichtet als über Angela Merkel.
Ein jedes Bundesland hat eine Verwaltung speziell für Hochwasser, hier in Sachsen-Anhalt nennt sie sich «Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Hochwasservorhersagezentrale». Darüber müssen wir wohl mal reden.
Was heißt hier Landesbetrieb? Ich hab gelernt, dass ein Betrieb eine Fabrik oder Produktionstätte ist, die etwas herstellt. Was wird hier hergestellt, Hochwasser? Oder lustige bunte Diagramme mit minutengenauen Wasserstandsangaben? Aber beides hilft doch nicht gegen Wasser, oder?
Was heißt hier Hochwasserschutz? Wie schützt uns denn diese Verwaltung vor Hochwasser? Trink sie es aus? Oder füllt sie es in Discounter-Mineralwasserflaschen ab?
Wasserwirtschaft, was ist das nun wieder? Ich kenne nur eine Sauwirtschaft, aber es gibt ja auch Wasserschweine.
Hochwasservorhersagezentrale – da fehlen mir komplett die Worte.
Also, in Deutschland ist man bestens informiert, wann, wie und wie viel Wasser kommt. Aber wem hilft dies? Baut man sich schnell einen Berg unter das Haus? Oder setzt man die Häuser flink um? Was machen denn die Deutschen nur mit diesen Informationen?
Auch wenn das Hochwasser nicht so spektakulär werden sollte, wie der besagte Landesbetrieb es bewirbt, die hinter dem Hochwasser stehenden Organisationen sind es auf jeden Fall.
Ilia Nasyrov, Mai 2013