Seit meiner Ankunft in Halle hat mich ein Freund von mir immer wieder zum russischen Chor eingeladen. Ich hatte ständig keine Zeit, alle Hände voll zu tun. Erst Anfang Juni gelang es mir das zu machen und jetzt bedauere ich das nicht.
Der Russische Chor wird von den deutschen Studenten organisiert, die die Russische Sprache an der Uni studieren. Ich war am Anfang ein bisschen skeptisch, aber als sie angefangen haben zu singen, kam ich nicht mehr umhin als zu lächeln.
Man kann es sich kaum vorzustellen! Die deutschen Studenten der Martin-Luther-Universität singen russische Lieder wie „Katjuscha“ auf Russisch!!! nach 70 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges!
Die Welt im meinem Kopf schien verrückt zu werden. Die Studenten haben mir mit ihren Liedern meine Seele und mein Herz erfreut. Bis ins Innerste! Ich wollte mitsingen, mittanzen! Das war so erbaulich! Da hörte man die Seele meiner Heimat! Mir hat es sehr gefallen!
Die Republik Baschkortostan ist ein Bestandteil der Russischen Föderation. Hier wird offiziell Russisch gesprochen. An nationalen Feiertagen werden oft nationale baschkirische Lieder gespielt und da tanzten viele Vertreter der baschkirischen Nation mit.
Ich habe mich immer gefragt wieso machen sie das? Und erst jetzt bekam ich die Antwort! Das ist deine Musik, Lieder auf deiner Sprache! Das passiert irgendwie unbewusst, du bist auf einmal glücklich und es ist dir sofort klar, dass das zu deinem Kulturerbe gehört und du Teil davon bist.
Ich hörte Lieder und ich vergaß mein Heimweh. Als ich noch in Russland war, machte ich mir gar keine Gedanken über meine Kultur und darüber, dass ich sie schätzen sollte. Das versteht man erst dann, wenn man lange Zeit im Ausland wohnt.
Einmal bin ich zur Russendisko gegangen. Das war keine richtige Russendisko, sondern eine Disko mehr in Richtung GUS-Ländern. Es gab mehr moldawische, ukrainische und weißrussische Musik und nur ein paar russische Lieder. Die deutschen Frauen tanzten wild. Es war herrlich anzusehen! Ich habe da verstanden, dass alles, was die Europäer für Russisches halten, noch zur Postsowjetischer Zeit gehört.
Vera Tokarewa / Übersetzt von Alöna Mironowa, August 2014