Nach den offiziellen Feierlichkeiten zum 17. Juni, dem Volksaufstand in der DDR 1953, war auf dem Hallmarkt für den Abend eine Kundgebung der Neonaziszene Sachsen-Anhalts geplant. Der Friedenskreis Halle und andere antifaschistische Organisationen hatten zu Gegenprotesten aufgerufen. Leider hatte die örtliche Presse kein Interesse diese Aktion zu unterstützen. Der geplante Aufmarsch war der Mitteldeutschen Zeitung zwar eine Randnotiz wert, über Gegenproteste wurde aber gar nicht informiert. Auch die Stadtverwaltung und unsere Oberbürgermeisterin hielten es offenbar nicht nötig, durch persönliche Anwesenheit zu zeigen, dass Nazis in unserer Stadt unerwünscht sind. Vielleicht lag es ja daran, dass bereits die eigene Gedenkveranstaltung am Nachmittag nach Dienstschluss stattfand.
Bereits beim Marsch der Neonazis vom Bahnhof zum Hallmarkt kam es zu Zwischenfällen. So flogen vom Waisenhausring Pflastersteine auf die Hochstraße in den Zug der Neonazis. Wenn man den Demonstrationsweg schon an einer Baustelle vorbei führt, sollte die Polizei wenigstens dafür sorgen, dass kein Baumaterial zweckentfremdet wird! Insgesamt war auch die Polizeipräsenz anfangs erschreckend gering. Erschreckend deshalb, weil am Hallmarkt dann doch die ca. 100 Nazis von einer etwa dreimal so großen Menge Gegendemonstranten empfangen wurde. Dass es bei der zunächst eher geringen Anzahl von Polizisten nicht zu Ausschreitungen kam, lag wohl allein daran, dass die an Randale Interessierten auf beiden Seiten in der Minderheit waren. Erfreulich war, dass dem Aufruf zur Gegendemonstration auch eine ganze Reihe Schüler gefolgt waren.
Da die Antifaschisten den Hallmarkt bereits in Besitz genommen hatten, ließ die Polizei die Gruppe Neonazis nicht auf den Platz und hielt sie am ehemaligen Polizeipräsidium an. Dort in der Dreyhauptstraße standen sie fast eine Stunde nur rum, bevor sie einsahen, dass es nicht weiter geht. Die nun folgenden Reden über ihren Lautsprecherwagen wurden gnadenlos niedergepfiffen. Die Aktion, den Nazis auf keinen Fall eine Kundgebung auf dem Hallmarkt zu ermöglichen, war also mit friedlichen Mitteln erfolgreich.
Umso unverständlicher war es dann, dass der rechte Demonstrationszug auf dem Weg zurück zum Bahnhof mit Umwegen über den Franckeplatz und die Pfännerhöhe noch länger als eine Stunde durch Halle geführt wurde. Wenn man die Demonstration schon nicht verbieten konnte, hätte man spätestens 22 Uhr den mit Trommel und Lautsprecherwagen versehenen Zug wegen Ruhestörung auflösen müssen. Aber erst als es dunkel wurde, war der Bahnhof erreicht. Wenn es anschließend im Schutz der Dunkelheit in der Stadt zu einzelnen Zusammenstößen zwischen Rechten und Linken kam, braucht sich die Polizei nicht zu wundern. Oder war das etwa einkalkuliert?
Ralf Steinhausen, 06.07.05