Kurz nach Beginn der offiziellen Winterferien, zumindest für alle mittlerweile prüfungsfreien Studenten, lockte das Kino Rodina am 26. Januar Interessierte zum Kurzfilmfestival. Nicht zuletzt der freie Eintritt sorgte für einen Massenansturm.
Der kleine Kinosaal platze wortwörtlich aus allen Nähten, als das Festival 15 Uhr durch einen Moderator eröffnet wurde. Dieser appellierte zunächst an alle Zuschauer, möglichst eng zusammenzurutschen, Freundinnen auf des Freundes Schoß zu setzen, um für alle bisher stehenden Gäste Platz zu schaffen. Trotz aller Bemühungen standen bis zu letzt Kurzfilmfestivalwütige auf den Seitentreppen, bereit für einen kulturellen Nachmittag. Der gefüllte Saal zeugt wohl von einem generationsübergreifenden Kulturinteresse der Ufaner, alle Altersklassen quetschen sich auf die kleinen Stühle und blickten gespannt auf die Leinwand.
Erst die 15minütige Eröffnung durch den Moderator und einige weitere Beteiligte zeigte, um was für Kurzfilme es sich wirklich handeln sollte. Schüler der vor einem Jahr eröffneten Kinoschule Bulata Jusopowa (Киношкола Булата Юсупова) zeigten in den folgenden 130 Minuten ihre Abschlussarbeiten. Der Gründer und Direktor der besagten Schule nutzte die Eröffnungsrede allerdings nicht nur zur Vorstellung seiner Schüler, sondern vor allem auch zur Rührung der Werbetrommel. Dass die braven Absolventen seiner Schule zuvor einen zweimonatigen Kurs für insgesamt 29.800 Rubel (ca. 700€) belegten und nun ihre, meines Erachtens ein wenig überteuerten Resultate zeigten, wusste bis zu diesem Zeitpunkt scheinbar eher die Minderheit.
Die folgenden 130 Minuten zeigten insgesamt neun Kurzfilme von 15 bis 20 Minuten, die allesamt an bekannten und weniger bekannten Plätzen in Ufa gedreht wurden. Es war interessant und auch ein wenig spannend, Ufa mal aus anderen Blickwinkeln, als Szenerie einer Geschichte zu betrachten. Auch waren die Geschichten oft niedlich arrangiert – man hatte das Gefühl, dass sich die Regisseure viele Gedanken bei der Erarbeitung ihrer Drehbücher machten. Da gab es unglücklich Verliebte, selbstbewusste Karrierefrauen und selbstlose Helfer. Nach sechs Filmen begann sich dann allerdings die eine oder andere Thematik zu doppeln, die gleichen Schauspieler spielten fortan in jedem Film unterschiedliche Rollen und auch die stets gleichen Locations wirkten sich nicht positiv auf die allgemeine Konzentrationsfähigkeit aus. Kurz gesagt, nach 60 Minuten war definitiv „die Luft raus“.
Nichtsdestotrotz wurde nach jedem Film durch heftiges Applaudieren der jeweilige Regisseur für seine harten Bemühungen belohnt. Auch die brav bis zum Ende geduldigen Stehgäste zeugten von einer allgemeinen Begeisterung der Veranstaltung. Zum Ende des Kurzfilmfestivals wurden im Café des Kinos Urkunden für alle Beteiligten überreicht. Da gab es Schauspieler, Regisseure, Drehbuchschreiber, Kameramänner und – frauen, die in den letzten 2 Monaten ihre neuen Handfertigkeiten erlernen konnten. Der Schuldirektor Jusopow bedankte sich persönlich bei jedem Teilnehmer und überreichte den stolzen Absolventen ihre Diplome. Diese haben sie sich meines Erachten für 700 € Schulgeld wohl definitiv auch verdient.
Letztendlich bleibt mir nur die Frage, ob das Festival als Belohnung für die harten Regisseurarbeiten der Kinoschüler gedacht war, oder doch mehr als persönliche Werbekampagne für Jusopows überteuerte Kinoschule? Während der Diplomübergabe liefen zumindest hübsche Frauen mit Auswertungszetteln durch den Raum, auf denen die Meinung zum Festival erfragt wurde und auf denen man auf dem Großteil des Blattes seinen Namen, Telefonnummer, Mailadresse und Interessen für die Kinoschule angeben sollte.
Ich bin gespannt, wann die Werbung mit einer eventuellen Gratisstunde für Ufas einzigartige Kinoschule in mein Emailpostfach flattert. Solange aber die Ufaner kostenlos an solchen Events teilnehmen und sich begeistern lassen können, ist ein wenig Werbung am Rande doch definitiv erträglich!
Julia Hoppe, Januar 2010