Ein gewöhlicher Winterabend, Montag. Ein genau so gewöhnlicher, fast zielloser Spaziergang durch die Leipziger Strasse in Halle. Und plötzlich, eine für uns Russen nicht ganz klare Szene. Ein paar Leute (nicht mehr als zehn), vor allem ältere Leute, Transparente, und ein Megaphon in der Hand eines älteren Mannes, der seine Forderungen herausschreit. Montagsdemo…
Ein junger Mann, der, wie sich herausstellte, ebenfalls zu den Demonstrierenden gehört, verteilt Flugblätter und will uns das Programm der hier Versammelten erklären. Tassilo, 21, nimmt seit dreieinhalb Jahren regelmäßig an solchen Aktionen teil. Diese Leute kämpfen für soziale Gerechtigkeit, Arbeitslosenrechte, genauer gesagt, für ihr Recht auf Arbeit. Tassilo hat einen Job – er arbeitet bei den städtischen Verkehrsbetrieben. Er meint, die wichtigste Bedingung in diesem Fall ist die Solidarität – alle sollen ihre Unzufriedenheit mit der sich verschlechternden Situation zum Ausdruck bringen – Arbeitende und Arbeitslose, junge und alte Leute. „Jeder von uns kann jederzeit aus dem einen oder anderen Grund seine Arbeitsstelle verlieren“, sagt der Junge mit der aufrichtigem Enthusiasmus und voller Offenheit. Er unterstützt die Idee der Arbeitszeitverkürzung von 39 Stunden auf 30 Stunden pro Woche. So kann man mehr Arbeitsplätze schaffen.
Wir sehen, dass es nur wenige Demonstranten gibt und deshalb fragen wir mit verstecktem Misstrauen, ob solche Montagsdemos einen Nutzen bringen. Sofort bekommen wir eine bejahende Antwort. Montagsdemos finden in vielen Städten regelmäßig und zweckgebunden statt. Die Regierung kann sie nicht unbeachtet lassen und soll in einigen Fällen Zugeständnisse machen.
Leute, die in Eile sind, reagieren darauf unterschiedlich. Viele haben sich schon daran gewöhnt, dass man jeden Montag auf der Strasse Demonstranten sehen kann, die mit ihren Losungen einige Stunden lang die Luft erschüttern. Und sie gehen weiter, sie finden diese Demos absolut unnütz. Andere bleiben stehen, hören zu, sehen mitfühlend zu. Und gehen auch weiter. Einige lächeln und sagen ironisch „Träume…Romantiker, sie wollen in die Vergangenheit zurückkehren. Das ist unmöglich“.
So stellt sich noch eine gesetzmäßige Frage. Wer finanziert diese ständigen Demos? „Die Hauptquelle ist der eigene Enthusiasmus“, klärt Tassilo auf. „Wir selbst organisieren unsere Demos, obwohl es Parteien gibt, die uns unterstützen. Aber ohne das Interesse jedes einzelnen von uns würde es nicht so lange dauern“.
V. Yusupowa, A. Achsanowa, Februar 2008