Wie bekannt, gewöhnt sich der Mensch an alles. So haben wir uns auch an Deutschland, an das ruhige, stille und freundliche europäische Land gewöhnt. Aber jetzt sind wir wieder zu Hause …
Es gibt drei Stufen der Anpassung an ein fremdes Land. Zuerst ist man von Euphorie beherrscht. Man sieht neue Leute, gewinnt neue Eindrücke, bemerkt Veränderungen… Danach ist man überfüllt mit Informationen, die Eindrücke „verstopfen den Kanal“. Und nun kommt die zweite Stufe, nämlich die Depression. Dies bedeutet für den Menschen Langeweile, er will nichts weiter mehr, als sich hinlegen und ruhig sterben. Oder, als Alternative dazu, erwägt man in die Heimat, zurück zu Freunden und Verwandten, zu gehen. Bei der dritten Stufe handelt es sich um vollständige Anpassung an die fremde Kultur und dem ihr eigenen Lebensrhythmus. Das Komischste an allem ist, wenn man die dritte Stufe erreicht hat, muß man, nachdem nach Hause zurückgekehrt ist, alles von Anfang an durchlaufen. So steht’s im Lehrbuch für Psychologie.
Soviel zur Theorie, kommen wir jetzt zum „praktischen Teil“. Diplomverteidigung und diverse Prüfungen haben uns für eine ziemlich lange Zeit zurück in die Heimat geführt. Das ist natürlich kein richtiger „Blick von der Seite“, aber…
So, nun sind wir also zu Hause. Alle um uns herum sprechen russisch, anfangs ist das sehr ungewöhnlich. Der Rubel und die öffentlichen Verkehrsmittel kommen uns auch fremd vor, denn, ehrlich gesagt, haben wir uns nach diesem halben Jahr abgewöhnt, etwas anderes, als unsere Fahrräder zum Fahren zu benutzen. Die geliebten Marschrutkas (Taxibusse) sind ein Thema für sich. Wer nicht weiß, wie es ist, gebeugt in einem Minivan zu stehen und dabei russische Gaunermusik zu hören, der hat kein richtiges Leben gesehen :))))
In Russland gibt es Vieles, was einem wachen Blick unverständlich bleibt. Zum Beispiel warum der Eilzug fast genauso lange fährt, wie der normale, dafür aber zweimal so viel kostet. Oder, warum fällt es dem Russen so schwer, dir entgegenzulächeln?
Das Schlimmste, was es hier gibt, ist der Umgang mit Alkohol. Warum ist in Russland nachts der Geruch in der Stadt immer geprägt von Tabak und Alkohol, begleitet von vielerlei Schimpfwörtern? Ich liebe mein Heimatland, aber warum zum Teufel gibt es in Deutschland sowas nicht, wo der Durchschnittskonsum von Alkohol viel größer ist, als in Russland?
Aber, trotz allem ist es ganz angenehm, die bekannten Straßen entlang zu laufen, alte Freunde zu treffen, zu sehen, wie stark sich deine Stadt im letzten halben Jahr verändert hat, in den Parks spazieren zu gehen, in sich den Geruch und die Frische des Regens einzuatmen… sogar das „größte Reiterdenkmal in Europa“, dessen man schon überdrüssig war, sieht man nun gern!!!
Wir sind zu Hause. Zwar nur für kurze Zeit, aber zu Hause.
A. Vasiliev, D. Mukhametkulov, Juni 2006