Sophie, Slavistik- und Romanistikstudentin im 3. Semester an der LMU München absolvierte von Februar bis April ein Praktikum als Deutschassistentin am Gymnasium 86 in Ufa. Die gebürtige Berlinerin und Neu-Bayerin bricht das Vorurteil, alle Deutschen in Ufa kämen entweder aus der Partnerstadt Halle oder Dresden. Über ihre Zeit als Praktikantin in der Hauptstadt Baschkortostans und ihre intensiven zwischenmenschlichen Bekanntschaften erzählt die 21jährige Sophie offen im Interview. Ufa – eine scheinbar großartige Stadt zum Verlieben..
Baschkirienheute: Es ist fast seltsam, einer Bayerin in Ufa zu begegnen. Hast du vor deinem Praktikum schon einmal etwas von der Hauptstadt der Republik Baschkortostans gehört?
Sophie: Aus dem Atlas ja, die letzte große Stadt vorm Ural.
Baschkirienheute: Wie bist du auf die Idee gekommen, gerade in Ufa dein Praktikum zu machen?
Sophie: Meine alte Russischlehrerin hat das organisiert. Sie hat viele Kontakte zu Schulen in ganz Russland. Ich wollte mein Russisch verbessern und da meinte sie zu mir: geh nach Ufa, da gibt es eine gute Schule.
Baschkirienheute: Welchen ersten Eindruck hattest du von der Stadt als „Neuling“? Wie wurdest du empfangen?
Sophie: Ich bin an einem Freitag angekommen und wurde gleich am ersten Wochenende von der Lehrerin, bei der ich gewohnt habe, mit nach Beloretsk zu einem Seminar genommen. Das große Bankett am Ende mit Essen, Alkohol und Tostreden hat mich ziemlich beeindruckt. (AdR: Sophie spricht vom feierlichen Bankett zum Tag der Verteidiger des Vaterlandes am 23.2.) Danach habe ich gleich meinen Unterricht in der Schule begonnen.
Baschkirienheute: Konntest du dich in der Stadt orientieren? Das Busfahren für Nicht- Ufaner ist ja anfangs eine ziemliche Herausforderung.
Sophie: Die Lehrerin hat mich sehr unterstützt. Am ersten Tag sind wir gemeinsam zur Schule und zurück gefahren. Danach war ich dann schon immer alleine unterwegs. Das war anfangs natürlich ein bisschen schwierig, ich war sehr unsicher. Vor allem in den Gazelkas haben mich die Fahrer zunächst nicht verstanden und ich musste meine Ansagen oft wiederholen. Aus diesem Grund bin ich oft in den größeren Bussen gefahren, wo der Bus an jeder Station hält.
Baschkirienheute: Wie hast du deinen Alltag neben der Arbeit gestaltet?
Sophie: Anfangs bin ich gerne alleine spazieren gegangen und habe durch Zufall einen Jungen kennengelernt, mit dem ich dann die restliche Zeit verbracht habe. Ansonsten haben mich manchmal Freundinnen der Lehrerin mit ins Konzert genommen. Eigentlich war ich nie alleine unterwegs.
Baschkirienheute: Hast du schnell Kontakt zu den Bewohnern gefunden?
Sophie: Eigentlich nur durch die Schule. Dort hatte ich nur mit den Lehrern zu tun. Es gab aber 2 jüngere Kolleginnen, mit denen ich mich manchmal getroffen habe. Aber ich hatte niemanden zum anrufen und unternehmen, wie man es aus der Heimat gewöhnt ist. Durch meinen Jungen konnte ich dann aber viele neue Leute kennenlernen. Das hat mir unglaublich geholfen.
Baschkirienheute: Du hast dich also während deines Aufenthaltes verliebt. Hast du Unterschiede zu Deutschland beim ersten Kennenlernen feststellen können?
Sophie: Naja, wir haben uns ja gleich am Anfang kennengelernt. Beim Spazieren im Park – das ist ja eigentlich kein gewöhnlicher Ort, ich hatte es nicht beabsichtigt. Es ist hier so üblich, dass ein Junge für ein Mädchen alles macht, für den Tee bezahlt, ihr Blumen schenkt, sie nach Hause bringt. Das ist schon ein großer Unterschied zu Deutschland – dort ist es ja eher umgekehrt. Ich bin nach Russland gekommen und empfand das als sehr ungewöhnlich. Aber ich habe gemerkt, dass es auch Vorzüge hat, nicht alles selbst zu machen. Da würde jetzt jede Emanze durchdrehen…
Baschkirienheute: Hattet ihr Probleme mit dem Zusammensein oder wurde eure Liaison akzeptiert?
Sophie: Viele Freunde meinten wohl zu ihm: es hat keine Zukunft, sie wird ihn vergessen. Deswegen war er sehr selektiv, zu wem er mit mir geht. Oft waren seine Freunde aber sehr interessiert. Die Lehrerin, bei der ich gewohnt habe wollte sofort wissen, wie er aussieht und wie er ist, als sie erfahren hat, dass ich mich mit einem Jungen treffe. Er musste sich dann vorstellen, durfte aber nie in die Wohnung kommen. Es gab dann auch immer sofort Lästereien in der Schule, wenn ich mal spät nach Hause kam, die Lehrerinnen waren solche Tratschtanten und meinten, sie wären für mich verantwortlich. Das war die absolute Kontrolle in der Schule. Ich hab mich aber auch nicht getraut zu fragen, ob er mich mit zu sich nehmen kann. Also hatten wir keinen Zufluchtsort. Wir sind dann immer mal zu Freunden gegangen und konnten dort übernachten – das war unsere einzige Möglichkeit, zusammen zu sein. Das war aber gerade auch so aufregend.
Baschkirienheute: Hat er dich seinen Eltern vorgestellt?
Sophie: Ja, ein paar Wochen vor meiner Rückkehr. Er hatte zuhause viel von mir erzählt und am Abend vor Ostern wurde ich dann vorgestellt; es war eine magische Stimmung, wir haben Kulitsch gegessen und Tee getrunken. Alles in allem war die Familie sehr freundlich und offen und nahm mich herzlich bei sich auf.
Baschkirienheute: Welche Unterschiede bei den Vorstellungen einer „Beziehung“ sind dir in der kurzen Zeit deines Aufenthaltes aufgefallen?
Sophie: Oh, das ist eine schwierige Frage. Eigentlich wollten wir ja gar nicht, dass aus unserer Bekanntschaft eine Beziehung entsteht, weil er in Russland lebt und ich in Deutschland. Deswegen habe ich unsere Beziehung erst ganz spät als solche bezeichnet. Ich hatte vorher nie so eine Beziehung, sie ist etwas ganz besonderes. Wir können nicht wirklich zusammen sein, aber wir haben ein gemeinsames Ziel. Egal wo, aber so bald wie möglich zusammen zu sein! Obwohl wir nicht die gleiche Sprache sprechen, haben sich nie gekannte Gefühle entwickelt.
Baschkirienheute: Siehst du eine Perspektive für eure Beziehung?
Sophie: Natürlich, ich denke die ganze Zeit daran. Sicher ist es einfacher, das Ganze hinzuschmeißen, aber ich gebe nichts auf, was besonders ist. Ich bin bereit, für eine Zeit nach Russland zu gehen und ich hoffe, dass auch er nach Deutschland kommen kann.
Baschkirienheute: Sophie, ich wünsche dir viel Glück für eure gemeinsame Zukunft. Noch eine kurze Abschlussfrage. Würdest du ein Praktikum in der Stadt Ufa weiterempfehlen?
Sophie: Auf jeden Fall, denn es erweitert den Horizont ungemein, für einige Zeit in die russische Provinz zu gehen.
Baschkirienheute: Vielen Dank für das Gespräch.
Julia Hoppe, Juni 2010