Eine der Russischen Eigenarten, die ich bereits beginne zu übernehmen, ist das in den Spiegel schauen. Wie ich bereits in einem meiner anderen Artikel geschrieben habe, gibt es hier überall Spiegel. Der Grund dafür ist, dass man besonders auf seine äußere Erscheinung achtet. Frauen verlassen das Haus nur geschminkt und ständig wird überprüft, ob das Make-up auch sitzt. Ein anderer Punkt, auf den man besonderen Wert legt, sind die Schuhe. Sie müssen immer blank poliert sein. Das erscheint irgendwie paradox, wo hier doch so viel Schlamm auf den Straßen liegt. Aber vielleicht auch gerade darum.
Eine andere Eigenart, die mir nicht gerade gefällt, ist das man sich nicht in der Öffentlichkeit die Nase schnaubt. Es gilt als unhöflich dieses zu tun, wobei dies im Gegensatz zu dem steht, was man uns als Kindern beigebracht hat. Aber ich bevorzuge immer noch die deutsche Variante, da die Russische beinhaltet, es solange bei sich zu behalten wie nur möglich. Sollte dieser Weg einmal nicht funktionieren, müssen sich die Menschen in der Umgebung halt in acht nehmen.
Ein besonderer Aspekt ist für mich die Russische Spontaneität. Sie drückt sich in verschiedener Art und Weise aus. Zum einen durch das Handy, das allgegenwärtig ist. Vom Kleinkind bis zum Rentenalter ist es vertreten und repräsentiert Unabhängigkeit. Verabredungen werden von einer Minute auf die andere getroffen: „Wo bist du gerade? Hast du Zeit für einen Kaffee? Wir treffen uns in 10 min dort und dort.“ Während wir immer planen: „Nein heute absolut nicht, habe 3 Termine, aber vielleicht Donnerstag um 3 Uhr, wenn’s recht wäre? “ Eine andere Art der Spontaneität erkennt man daran, dass man nie wie bei uns üblich einen Wochenendeinkauf macht, sondern einfach in den nächstbesten Supermarkt läuft. Was wirklich leicht ist, da der Großteil rund um die Uhr auf hat. Spontaneität drückt sich auch durch die allgegenwärtigen Plastiktaschen aus. Man geht spontan auf den Markt und denkt einfach nicht daran, einen Rucksack oder ähnliches mitzunehmen. Als jemand, der gerne plant, muss ich gestehen, dass es zuerst recht gewöhnungsbedürftig war, aber garantiert nicht unangenehm.
Eines ist mir noch aufgefallen, was wieder ganz gegen die Erziehung meiner Eltern spricht. Der Tee, der Kaffee, die Suppe, alles wird geschlürft. Und ich muss gestehen, dass es mir schwer fällt, nicht in das gleiche Muster zu verfallen. Eine meiner Erklärungen dafür ist, dass dies bekanntlich ein sehr kaltes Land ist und man versucht, sich möglichst schnell aufzuwärmen. Es ist eine Technik, die lange trainiert wurde, um sie bis zur Perfektion auszuüben. Man atmet kalte Luft ein und versucht dadurch den heißen Tee abzukühlen. Auch wenn es effektiv ist, so muss ich doch sagen, dass es ganz im Gegensatz zu der Etikette steht, die meine Eltern mir beigebracht haben. Aber die Versuchung ist groß.
Johanna Schirling, 26.01.2005