Der märchenhafte Sommer begann für uns, 15 Studenten verschiedener Fakultäten der Baschkirischen Staatlichen Universität und Teilnehmer des internationalen Studentenaustausches zwischen unserer Universität und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, schon im März. In diesen 4 Monaten konnten wir einander kennen lernen, das Konzertprogramm vorbereiten, das wir in Halle vorstellen wollten, und das Aufenthaltsprogramm in Baschkirien für unsere deutschen Altersgenossen planen. Aber jetzt liegt die Vorbereitungsphase hinter uns und wir stehen vor dem Zug „Ufa-Moskau“ auf unserem Bahnhof. Vor uns ist ein langer Weg und das unbekannte, rätselhafte Land Deutschland…
Wir überholten die Zeit, jagten hinter der Sonne her und kamen dem Ziel unserer Reise immer näher. Und sogar ein 12-stündiger Aufenthalt an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen konnte unsere Stimmung nicht verderben. Und jetzt sind wir endlich in Halle und warten ungeduldig vor dem Bahnhof auf unsere deutschen Freunde und „verdauen“ unsere ersten Eindrücke vom Ausland.
Und nun hat das lang ersehnte Treffen stattgefunden und wir begeben uns zu unseren Gastgebern in ihre Wohnungen, wo wir zusammen wohnen werden. Andrej Konstantinov und ich richteten uns bei gastfreundlichen … Ufaer ein. Doch, doch, wundert euch nicht, Azamat und Alija Kuvatovy sind wirklich unsere Landsleute. Azamat hat die Physische Fakultät der BGU absolviert, war Teilnehmer an einem der Studentenaustausche und hat seit einigen Jahren einen Arbeitsvertrag an der Halleschen Universität.
Der erste Tag in Deutschland war vorbei und jetzt beginnt das reichhaltige Kulturprogramm, das die Organisatoren für uns vorbereitet haben. Die erste Station ist der Ausflug auf den Weinberg nach Rollsdorf. Der Winzer Rene Schwalbe nimmt bereits nicht das erste Jahr Ufaer Studenten auf und macht das mit Vergnügen. Nachdem wir Weinreben gedüngt und Süßkirschen gelesen haben, gehen wir in sein Weingut, um verschiedene Weinsorten zu verkosten, und Rene erzählt ausführlich und liebevoll über seine Arbeit.
Nach dem zweitätigen Aufenthalt in einem deutschen Dorf fahren wir zurück nach Halle, das für fast 3 Wochen unser Zuhause werden sollte. Der Anlaufpunkt, wo wir uns ständig getroffen haben, war ein Jugendzentrum. Die Austauschorganisatoren Sandra Schmeil u Tilo Kolbe haben für uns sehr viele verschiedene Spiele, Tests, Veranstaltungen vorbereitet, so dass wir von Tag zu Tag einander immer näher kamen.
Sandra ist Studentin der Philosophischen Fakultät an der Martin-Luther-Universität. Sie hat eine einjährige Sprachreise nach Woronezh gemacht, deswegen kennt und versteht sie Russland sehr gut und kann mit verliebten Augen lange über unser Land sprechen. „Russland ist ein sehr herzliches Land“ – findet Sandra.
Tilo studiert an derselben Fakultät, spezialisiert sich aber auf dem Bereich internationale Kultur. Bisher nahm er schon zweimal am Studentenaustausch zwischen unseren Fakultäten teil, und wurde in diesem Jahr einer der Organisatoren.
Eine Überraschung war für uns auch die Bekanntschaft mit einem 2003er Absolventen der Fakultät für baschkirische Philologie und Journalistik der BGU, Ruslan Daschkin, der schon fast ein Jahr in Halle ist. Ruslan hat auch am Studentenaustausch 2001 teilgenommen und ist unseren Lesern sehr bekannt durch seine Materialien über das studentische Leben und im letzten Jahr durch seine Reportagen aus Deutschland.
Aber vergessen wir das Kulturprogramm nicht. Gastfreundlich wurden wir in der ältesten Schokoladenfabrik Deutschlands „Halloren“ empfangen. Wir haben das Museum der Fabrik besucht und verschiedene Schokoladensorten genascht. Sehr viele positive Emotionen und Eindrücke hinterließ das Badeparadies Maya Mare und die supermoderne Disko „Turm“. Aber einer der einprägsamsten Ereignisse während unseres Aufenthalts in Halle war der Abend im „Bauernclub“, wo wir unser Konzertprogramm präsentierten, das wir bereits in Ufa einstudiert hatten. Der Scherztanz „Kadril“ und das Lied-Spiel „Kisschen“ waren ein voller Erfolg. Alle waren auch von den Tänzen, aufgeführt von Solotänzern aus dem Ensemble „Irendyk“ Ajaza Kuskildina, Gulschat Ramazanova und Oksana Borisova, begeistert und haben nach den Liedern von Agnija Serzhantova und unseren Dolmetschern Dmitrij Tyrykin und Adrej Wasiljev lange Beifall geklatscht.
Außer der Aktivitäten in Halle warteten auf uns auch zahlreiche Ausflüge in Deutschland und eine Reise zum Bodensee, der uns wegen des Flugzeugabsturzes sehr bekannt ist. Jugendliche aus der deutschen Stadt Überlingen nahmen in diesem Jahr zum ersten Mal am Studentenaustausch Ufa-Halle statt. Sie haben keine Erfahrungen auf diesem Gebiet gehabt, aber alles Mögliche getan, damit wir uns bequem fühlen und nur gute Eindrücke nach Russland mitnehmen.
Wir setzten also unsere Reise mit einer Fahrradtour rund um den größten See Europas, dem Bodensee, fort. Er liegt im Grenzgebiet von drei Ländern: Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auf den Weg machten sich über 20 Personen. Und natürlich konnten wir keine Verletzungen und Pannen vermeiden. Aber ob Rimma Nazmutdinova über die Lenkerstange fliegt, das Fahrrad von Sandra Schmeil einen Platten bekommt, Sascha Scheludtschenko mit hoher Geschwindigkeit in einen Straßengraben fliegt oder Anvar Garajev mit einem Rollschuhläufer zusammentrifft – allen hilft der Busfahrer, Robert Dalinger, Vater von unserer Exkursionsleiterin Olga.
Während der Reise auf Fahrrädern haben wir in verschiedenen Orten übernachtet: auf Campingplätzen, in einem Kloster und sogar in einem Schloss. Und verschiedene Exkursionen, Treffen und andere Aberteuer hatten wir einfach jede Menge: ein Treffen mit den Bürgermeistern von Überlingen und Friedrichshafen, einen Ausflug auf die Blumeninsel Mainau, eine Exkursion ins Seemuseum, Ausflüge auf einer Jacht und Besteigung des Alpengipfels Pfender (1064 m). Wir konnten auch den tragischen Ort, wo unser Flugzeug abgestürzt ist, und die Gedenkstätte für gestorbenen Kinder und Crew besuchen. Unter einem riesigen Kreuz liegt Spielzeug und Briefe an die, die nicht heimgekehrt sind…
Unser Aufenthalt in Deutschland ging zu Ende und wir mussten Abschied nehmen von diesem gastfreundlichen Land und unseren zahlreichen Freunden. Allerdings freuen wir uns, dass einige von ihnen – und zwar die Austauschteilnehmer von der deutschen Seite – mit uns nach Russland fahren. Das heißt, dass uns jetzt bevorsteht, ein dreiwöchiges Kulturprogramm für sie zu organisieren.
Dazu gehören: Eine sonnige Paddeltour auf dem Jurusan mit Besuch des Museums von Salavat Julajev in der Siedlung Malojaz und des Kurheimes Jangantau, touristische Banjas und Lieder mit Gitarrebegleitung…, Stadtrundgänge in Ufa, Ausflüge zu den Quellen des Kurortes Krasnousolskij und in das Sport- und Fitnesslager Nagajevo, gemeinsame Besuche von Kino und Zirkus, die Patenhilfe für das Kinderheim Nr. 9, wo wir den Diskoraum mit Graffiti bemalt sowie Fenster und Heizungskörper gestrichen und Schutt hinausgetragen haben – das heißt, wir haben geholfen, das Kinderheim zur Aufnahme der Kinder am 1. September vorzubereiten… Das wäre die unvollständige Liste der Aktivitäten und der Punkte des Kulturprogramms, das für die deutsche Gruppe organisiert wurde. Und unseren neuen Freunden stand noch eine Reise nach Moskau und nach Sankt Petersburg bevor. Wir hoffen, dass jeder von ihnen ein Teil unserer Herzen und die Erinnerung an die schöne Zeit in Russland mit nach Hause genommen hat.
E.Gorjuschin, 2003