Ich möchte euch etwas von einer deutschen Studentin in Russland erzählen. Ihr Name ist Julia und sie ist 22 Jahre alt. Sie stammt aus der Nähe von München, studiert aber schon seit 3 Jahren in Bayreuth. Nun ist sie nach Ufa gekommen, um hier das 7 und 8 Semester weiter Physik zu studieren. Sie erzählte mir, dass sie schon eine ganze Zeit von Russland fasziniert ist und ein Auslandsstudienjahr ihr die perfekte Möglichkeit gibt einen Traum zu verwirklichen. Von dieser Liebe zu Russland abgesehen, besuchte Julia schon immer gerne fremde Länder und lernte ihre Kulturen kennen. Dadurch nutzte sie jede Chance Deutschland und das Bekannte zu verlassen und ihren Horizont zu erweitern. So war sie zum Beispiel schon für 3 Monate in der USA, wo sie sich allerdings nicht so wohl gefühlt hat. Einer ihrer Aufenthalte im Ausland hatte das Resultat, dass sie sich in Russland verliebte. Und zwar hielt sie sich in der 11 Klasse zu einem Austausch in Georgien, in der Hauptstadt Tbilissi auf, und entdeckte dort ihre Liebe für Russland. Von diesem Zeitpunkt an beschäftigte sie sich mit der russischen Sprache und hatte an ihrer Uni auch die Möglichkeit einen Russischkurs zu belegen.
Danach besuchte sie auch noch einmal Moskau für 2 Wochen, was ihr sehr gut gefiel. Um sich nun auch sprachmäßig auf Ufa vorzubereiten, reiste sie im August für 1 Monat nach St. Petersburg um dort eine Sprachschule zu besuchen. Dieser Aufenthalt hat ihr sehr gut gefallen und sie hat sehr viel von St. Petersburg gesehen, und konnte sich dadurch auch ein bisschen auf Ufa vorbereiten. Allerdings kam die Sprache etwas zu kurz, da sie ein paar deutsche Freunde gefunden hat und auch mit einer Deutschen untergebracht war. Aber es geht ja schließlich nicht immer um die Sprache, sondern auch um das was man selbst erlebt und wie dies einen formt.
Sie wurde vor einem Monat mit sehr viel Gastfreundlichkeit hier in Ufa willkommen geheißen. Zu Beginn wohnte sie mit 3 baschkirischen Mädchen zusammen. Das Problem dabei war, dass diese nur Baschkirisch miteinander geredet haben. Julia erzählte mir, dass sie bei dem ersten Aufeinandertreffen mit ihren neuen Mitbewohnerinnen schon an ihren Russischkenntnissen zweifelte, da sie sie nicht verstand. Das klärte sich dann aber auf, und sie hat feststellen müssen das sie doch Russisch versteht. Allerdings gabt es im Nachbarzimmer ein paar baschkirische Mädchen die auch Russisch miteinander reden und mit den sie sich sehr gut versteht. Aufgrund der Verständigungsprobleme zog Julia dann, vor einer Woche, in das andere Zimmer. Sie hätte zwar auch die Möglichkeit in ca. einem Monat in das Wohnheim ihrer Fakultät zu ziehen, aber sie möchte lieber weiter mit den anderen zusammen sein, denn in ihrer Fakultät hätte sie dann ein Einzelzimmer, was sie nicht möchte.
Eins solltet ihr aber wissen, das Leben in einem russischen Wohnheim ist nicht leicht. 4 Mädchen teilen sich ein 18qm großes Zimmer, in dem es nur einen Schrank für alle 4 gibt und für jeden ein kleines Nachtschränkchen. Dazu eine Küche für 200 Mann und ebenso sanitäre Einrichtungen, allerdings sind diese nicht gerade in Massen vorhanden. Man kann sich vorstellen, dass man da nicht gerade viel Privatsphäre hat.
Und dann müsst ihr auch noch wissen, dass es nicht besonders einfach ist dort seine Wäsche zu waschen. Man wird von einer Ecke zur nächsten geschickt um dann festzustellen das es doch die Falsche ist. Allerdings, sobald die Umgebung erkennt, dass man Ausländer ist, versucht man ihm sofort zu helfen.
Aber wenn dann auch die Waschmaschine kaputt ist oder sie einfach verschwindet, denke ich man fängt schon ein bisschen an zu zweifeln. Aber nicht Julia, sie hält tapfer durch und hat nach langer Suche auch endlich ein Plätzchen für ihre Wäsche gefunden. Und da wir gerade beim Wohnheim sind, ist dazu noch zu sagen, das man bereits um 12 Uhr spätestens zurück sein muss, denn man kommt erst wieder um 6 Uhr morgens wieder rein. Dadurch hatte Julia noch nicht wirklich die Möglichkeit in das Ufaer Nachtleben abzutauchen.
Allerdings war sie bereits im Theater und es hat ihr gefallen, auch wenn sie nicht besonders viel verstanden hat. Außerdem besuchte sie das Opernhaus hier in Ufa und hat sich dort die Zauberflöte von Mozart angeschaut. Sie war, wie sie mir berichtet hat, begeistert von der Inszenierung und der Vorstellung. Also aufgrund aller dieser Umstände muss ich doch sagen, dass Julia um eine Unendliches Maß an Geduld verfügen muss, um das alles einfach so zu akzeptieren. Ich denke, ich hätte in einer solchen Situation schon öfters an eine Abreise gedacht.
Ich denke ihr könnt euch vorstellen, das Julia, trotz guter Vorbereitung doch ein paar Verständigungsschwierigkeiten hat. Um diese weiter abzubauen, hat sie 3 mal die Woche Russischunterricht, zusammen mit einem Amerikaner bei einer Russischlehrerin. Das hilft ihr schon mal etwas weiter. Allerdings sucht Julia auch den Kontakt zu ihren Kommilitonen um auch hier Neues aufzuschnappen. Aber trotz alledem fällt es ihr doch schwer dem Unterricht zu folgen, was ich sehr gut verstehen kann, denn hier reden alle gewohnheitsmäßig schnell.
Allerdings hat sie noch nicht besonders viel von Ufa gesehen, da ihr Wohnheim gleich in der Nähe der Universität ist. Also hat sie sich auf eigene Faust ein bisschen das Zentrum angeschaut und die Umgebung zu Fuß erkundet. Da Ufa ja eine Großstadt ist, die sich bis zu ein Länge von 60 km weiter hinzieht, kann man sich nur im beschränkten Maße zu Fuß fortbewegen. Als wir auf das Thema Familie und Freunde und ob sie sie vermisst zu sprechen gekommen sind, sagte sie, sie vermisse sie schon, aber es ist nicht so schlimm.
Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass ich großen Respekt vor ihr habe, denn sie nimmt die ganzen Umstände, wie sie sind und ohne sich zu beschweren. Ich denke sie wird hier noch eine sehr aufregende Zeit erleben. Man denke nur an hüpfende Torten.
Johanna Schirling, 20.11.04