„DJ WestBam aus Deutschland kommt nach Ufa”. Diese Schlagzeile lief wie ein Lauffeuer schon gut einen Monat vor seinem Auftritt am 11. Februar durch ganz Baschkortostan. Sie prangte von den Titelseiten der Zeitschriften, von Reklametafeln und tönte aus Radios.
Aber was verschlägt einen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten DJ nach Baschkortostan-nach Ufa!? Das ist die Frage, die hier viele Menschen beschäftigte. Und für uns kaum zu glauben war, dass wir die Gelegenheit bekommen sollten, ihn dies persönlich bei einem Exklusivinterview zu fragen. Wir zwei Anfängerjournalisten einer kleinen Internetzeitung bekamen ein Interview mit DJ WestBam, dem wohl größten und bekanntesten Techno-DJ Deutschlands. Wir waren vollauf begeistert und sahen dem Tag mit sehr viel Aufregung entgegen. Und dann war es soweit; am 10. sollten wir uns nachmittags in einer Bar mit ihm und seinem Tourmanager treffen. Natürlich überpünktlich waren wir, und natürlich zu spät war DJ WestBam, so dass wir volle vier Stunden warten mussten. Nach dieser Zeit war dann aber zum Glück alle Aufregung verflogen, und wir konnten vollkommen relaxt in der gemütlichen Atmosphäre der Sushibar unser Interview mit ihm durchführen.
Maximilian Lenz wurde am 4. März 1965 in Münster geboren. Dort startete er in den Bands „Anormal Null“ (gegründet 1979), die die erste Münster Pogoband war, und in der Band „Kriegsschauplatz“ (gegründet 1981) seine musikalische Karriere, als, man mag es kaum glauben, Punk. Aber der Punk der 70er Jahre ist längst nicht mehr mit dem heutigen vergleichbar. Frank Xerox, wie er sich damals nannte, und sein Freund Andreas Bleckmann, die zu dieser Zeit zwei einzigen Punks in Münster, wollten vorrangig neue Musik machen, etwas vorher nie dagewesenes. Und so entstanden die beiden Bands, die elektronische Punkmusik machten, ungefähr vergleichbar mit der Musik der Band „Kraftwerk“. WestBam sagte dazu, dass die heutigen Punks genauso die Zeit verpasst haben, wie diejenigen, die sich zu seiner Jugend als Hippie verstanden. Nach dieser Erklärung war mir dann auch der Wandel von Punk zu Techno verständlicher, der ja eigentlich auch kein Wandel, sondern vielmehr eine Entwicklung ist. Und wer ihn vorher noch nicht kannte, konnte spätestens nach der Veröffentlichung der 1. Single “This is not a Boris Becker Song” etwas mit dem Namen WestBam anfangen. Dieser Name ist übrigens die Kurzform für Westfalia Bambaataa, in Anlehnung an WestBams Vorbild, DJ Afrika Bambaataa.
Das gute am DJ-Dasein ist, dass zwar alle deinen Namen kennen, aber die wenigsten das dazugehörige Gesicht. Diese anonyme Berühmtheit gefällt dem Vater zweier Kinder besonders, denn sie gewährleistet ein gewisses Maß an Privatsphäre. Selbstverständlich sprachen wir mit ihm über die Entwicklung der Technoszene Deutschlands, da er ja sozusagen der Papa dieser damals avantgardistischen Stilrichtung ist. Entstanden ist sie, wie jeder sicherlich vermutet hat, in deren Hochburg Berlin, wo sich der erste Technoclub namens “Ufo” befand.
Kassetten, ein Generator, eine Stereoanlage, ein alter VW-Bus und 150 Leute. Mit so wenig Worten lässt sich die erste Loveparade, die unter dem Motto “Friede, Freude, Eierkuchen” stand, beschreiben. Natürlich durfte dabei der „Master of Techno“ nicht fehlen. Aber diese Zahl von nur 150 Leuten zeigt deutlich, dass die Technoszene damals ziemlich klein war. Und tatsächlich kam der große Boom erst mit der Wiedervereinigung. „Die Energie des Ostens ließ die Technoszene regelrecht aufblühen“, so der Ostfan Westbam. Aber nicht nur, dass er Ostberlin stets besser als Westberlin fand, nein auch generell stellte er fest, dass der Westen von der Tanzkultur und der Stimmung her eher durchwachsen sei, während das Nachtleben in der „Eastworld“ durchgängig gut sei. In New York z.B. sei das Nachtleben sehr langweilig, in Südamerika toll und in Frankreich, den Erfahrungen Maximilian Lenz’ nach, Horror. Auch in Deutschland ist das Clubleben nicht optimal, während die Russen, wie wir (Sergej und ich) auch schon längst bemerkt haben, „ein natürliches Talent für Tanzkultur haben“, und ist daher das Clubleben sehr lebendig. 1991 war Maximilian Lenz, der Veranstalter von „Mayday“ das erste Mal in Russland, genauer in St. Petersburg. Danach besuchte er Russland, vor allem St. Petersburg, aber auch Moskau ziemlich oft, jedoch verschlug es ihn nie auch nur in die Nähe Ufas. Und warum diesmal nicht Moskau oder Petersburg? Warum gerade Ufa? Diese Frage zu stellen, bereitete mir besonderes Vergnügen. Nach 5-monatiger Beobachtung stellte ich nämlich fest, dass sie bei fast jeder neuen Bekanntschaft an zweiter Stelle genau zwischen „Warum gerade Russland?“ und „Wie gefaellt es dir hier?“ zu erwarten ist. Und lustigerweise war die erste Reaktion des DJs, der auch übrigens auch Schriftsteller ist, genau die gleiche wie bei mir, denn auch er wusste weder was, noch wo Ufa ist. Bei dieser Gelegenheit brachte er eine kleine Anekdote aus seiner Jugend bzw. Kindheit an. Und zwar wurde er von seiner Lehrerin aufgefordert Rostock auf der Landkarte zu zeigen. Der kleine Max aber hatte zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas von der Existenz einer Stadt namens Rostock gehört und musste, weil er nicht antworten konnte, einige ungläubige verständnislose Blicke einstecken. Aber genauso wie er sicherlich inzwischen in Rostock war, hat ihn auch die Unwissenheit über Ufa nicht davon abgehalten, hierher zu kommen. Denn gerade abgelegenere Orte sind besonders attraktiv für ihn, und das „exotische Baschkortostan“ muss man einmal erlebt haben. Obwohl er nach nur drei Tagen, die er hier war, Ufa und Umgebung erkundet hat und von der Stadt begeistert ist, ist doch das für ihn Außergewöhnlichste, ohne Konkurrenz, die Temperatur.
Genauso wie man als deutscher DJ das exotische Baschkortostan einmal erlebt und gefühlt haben muss, so muss man als russischer Jugendlicher auch den Techno-DJ Deutschlands einmal erlebt haben. Dieser Meinung war nicht nur ich selbst oder auch die Jugendlichen und Ufaer im Allgemeinen. Nein, zu dem Event kamen Jung und Alt, von nah und fern. Und es hat sich, denke ich, für jeden gelohnt. Nachdem wir bis halb drei warten mussten, kam er dann endlich, auf den wir alle so lang gewartet hatten: DJ WestBam aus Deutschland! Er kam und legte auf. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt, die Menge tanzte und tanzte und tanzte. Und obwohl wir ja schon so einiges gewöhnt sind, konnten wir dann doch nicht mehr länger als bis um sechs aushalten. Denn vom Tanzen und den euphorischen Lustschreien taten uns sowohl unsere Körper, als auch die Hälse weh, so dass wir in den frühen Morgenstunden den Saal verließen, während die Menge tanzte. Abschließend möchte ich daher mit den Worten des Künstlers DJ WestBam sagen: „Elektronische Musik verbindet ohne Sprache Völker“.
Katrin Hennig, Sergey Simonov, 19.04.2006